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Deutsche Zwangsarbeiter erneut gedemütigt
- Bundestag und Bundesregierung lehnen Entschädigung ab -
von Rudi Pawelka – Landesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien NRW

Rudi Pawelka – Landesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien NRWSchon seit dem Jahr 2000 haben sich die Vertriebenen intensiv um eine Anerkennung des außergewöhnlichen Schicksals deutscher Zwangsarbeiter bemüht. Die Bundesregierung hatte zuvor beschlossen, für ausländische Zwangsarbeiter einen Betrag von 10 Milliarden DM zur Verfügung zu stellen, wobei die Hälfte, steuerlich absetzbar, von der deutschen Wirtschaft beigesteuert wurde. Für hunderttausende deutsche Zwangsarbeiter blieb es aber bei einer Gerechtigkeitslücke und damit bei einer Missachtung ihres Leidens. Dem Arbeitskreis deutsche Zwangsarbeiter, an dem sich neun Landsmannschaften und der Bund der Stalinistisch Verfolgten beteiligten, gelang es, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf das Problem aufmerksam zu machen. Die Fraktion brachte daraufhin am 06.05.2003 eine Entschließung (Drucksache 15/924) in den Bundestag ein, mit der Aufforderung an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der u. a. eine Einmalzahlung für deutsche Zwangsarbeiter vorsieht, vergleichbar mit der für NS-Zwangsarbeiter geschaffenen Regelung. Der Antrag trägt an erster Stelle die Unterschrift der damaligen Oppositionsführerin Dr. Angela Merkel.

Nachdem der Bundestag am 05.06.2003 und am 21.10.2004 darüber diskutiert hatte, lehnte er mit der rot-grünen Mehrheit das Anliegen ab. In den nachfolgenden Jahren gab es unter der großen Koalition (2005-2009) und auch der Koalition von CDU/CSU/FDP (2009-2013) keine Fortschritte. Es war zu vernehmen, dass Kanzlerin Merkel in dieser Frage umgeschwenkt sei, obwohl die FDP den Antrag von 2003 unterstützt hatte.

Bundestag verwirft Anerkennung für deutsche Zwangsarbeiter.

Es ist der Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe NRW, zu verdanken, dass sie die Problematik der deutschen Zwangsarbeiter wieder thematisiert hat, und zwar in einer Petition vom 14.06.2013 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Am 26.09.2014 erhielt die Landesgruppe unter Hinweis auf den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 25.09.2014 (Drucksache 18/2509) eine ablehnende Antwort. Hierin wird unverhohlen festgestellt: „Mit Blick auf die Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg, der letztlich Auslöser auch für die Vertreibung deutscher Staatsbürger war, hat die Bundesregierung wiederholt erklärt, dass sie weder heute noch in Zukunft Fragen im Zusammenhang mit Vertreibung und entschädigungsloser Enteignung deutschen Vermögens aufwerfen wird. So hat der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2004 in Warschau erklärt, dass von Seiten der Bundesrepublik keinerlei Ansprüche gegenüber Polen geltend gemacht werden. Diese Erklärung ist völkerrechtlich bindend und wurde auch gegenüber Tschechien ausgesprochen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Haltung mehrfach ausdrücklich bekräftigt, insbesondere bei ihren Aufenthalten in Polen 2008 und 2010.“

Es erfolgt noch der Hinweis, dass dieser Verzicht gegenüber der ehemaligen Sowjetunion und den heutigen Nachfolgestaaten bereits durch den Schriftwechsel zum Einigungsvertrag ausgesprochen wurde. Im Übrigen weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass er der Bundesregierung Gelegenheit gegeben hatte, ihre Haltung zu der Eingabe darzulegen. Die Aspekte der Bundesregierung seien einbezogen wurden.

Deutsche Zwangsarbeiter sollen für NS-Unrecht in Haftung genommen werden.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Bundestag und Bundesregierung lehnen eine Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter ab und begründen dies mit deutschem Unrecht. Sie beziehen dies auch auf die Entschädigung deutschen Vermögens und widersprechen damit früheren Erklärungen - auch gegenüber dem Bundesverfassungsgericht - zur Offenhaltung dieser Frage. Sie sollte zu gegebener Zeit aufgegriffen werden. Es ist nicht richtig, dass eine Erklärung des Bundeskanzlers oder der Bundesregierung in diesem Fall völkerrechtlich bindend ist. Dies gilt nämlich nicht, wenn dadurch Völkerrecht verletzt wird, insbesondere, wenn Verbrechen gegen die Menschlichkeit damit verbunden sind. Schon in den Nürnberger Prozessen urteilte der Gerichtshof 1945/1946 auf der Grundlage des geltenden Völkerrechts und sprach Strafen aus, u. a. wegen begangener Vertreibungen oder der Beschäftigung von Zwangsarbeitern. Sogar einige Direktoren der Firma Krupp erhielten wegen des Einsatzes von Zwangsarbeitern langjährige Freiheitsstrafen unter Berufung auf die Haager Landkriegsordnung von 1907.

Die ignorante Haltung von Bundesregierung und Bundestag werfen ein bezeichnendes Licht auf den Umgang mit den eigenen Opfern. Wenn eine Wiedergutmachung für Deutsche wegen des NS-Unrechts verweigert wird fragt sich, warum es dann Kriegsgefangenenentschädigung, Lastenausgleich, Häftlingsentschädigung und andere Leistungen gegeben hat. Es fragt sich vor allem auch, warum im Ausland beheimatete Menschen deutscher Abstammung für NS-Untaten mit in Anspruch genommen werden. Gerade sie waren zahlenmäßig besonders betroffen. Deutsche in Altpolen, Jugoslawien oder Rumänien tragen keine Verantwortung. Sie haben weder Hitler gewählt noch seine Politik mitgetragen. Hunderttausende von ihnen mussten Zwangsarbeit leisten, nur weil sie deutscher Abstammung waren. Wenn die deutsche Politik sich diese rassischen Gesichtspunkte ebenfalls zu eigen macht, sollte sie sich dafür schämen. Man kann auch fragen, warum die verantwortlichen Staaten für die Zwangsarbeit nicht Entschädigung leisten sollen? Am 17.07.2000 teilte der „Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung“ zwar noch mit, dass das Ministerium im Rahmen der bilateralen Kontakte mit der polnischen Seite weiterhin angesprochen wird (Az. VIIb 5-72728-P6/1). Diese Position wurde aber wenig später aufgegeben. So heißt es auch im Antrag von CDU/CSU vom 06.05.2003: Der Deutsche Bundestag nimmt zur Kenntnis, dass die Bundesregierung es nicht für angezeigt hält (gemäß Drucksache 14/6688 vom 26.06. 2001), mit denjenigen Staaten, die Deutsche verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen haben, Verhandlungen dahingehend aufzunehmen, dass die noch lebenden deutschen Opfer durch diese Staaten mit einer humanitären Geste zur Würdigung des erlittenen Vertreibungsschicksals bedacht werden. Demnach hat die Bundesregierung sich selbst in die Pflicht genommen. Als bisher einziger Staat hat Rumänien seine moralische und rechtliche Pflicht anerkannt und zahlt an Deutsche pro Jahr Zwangsarbeit einen monatlichen Rentenbeitrag von 50,00 Euro.

Unrecht anderer Staaten soll nicht ans Licht kommen.

Man muss die Frage aufwerfen, was hinter einer Politik steckt, die so eklatant die Gerechtigkeit missachtet? Gerade wurde der Fonds für die Entschädigung der Personen aufgestockt, die als Kinder in Heimen der DDR untergebracht waren. Ohne ihr Schicksal klein zu reden, Berge von Leichen, wie sie für deutsche Kinder in polnischen, sowjetischen oder jugoslawischen Zwangsarbeiterlagern Wegbegleiter waren, gab es in den DDR-Heimen nicht. Der Vollständigkeit halber sei noch einmal festgehalten, dass die überwiegende Zahl der Zwangsarbeiter Frauen waren. Der Anteil der Kinder lag z. B. in Potulice (zwischen 1945 und 1949 stets zwischen 20- und 25-tausend Insassen) nach Erhebungen des polnischen Historikers Witold Stankowski immer zwischen 20 und 25 Prozent. Für ehemalige Zwangsarbeiter in den von Deutschen eingerichteten Gettos in Polen stellte Deutschland gerade 800 Millionen Euro für Rentenzahlungen bereit. Eine freiwillige Leistung, denn aufgrund des deutsch-polnischen Rentenabkommens von 1975 haben sich Deutschland und Polen verpflichtet, Rentenansprüche für die jetzt auf ihrem Territorium lebenden Anspruchsberechtigten wechselseitig zu übernehmen. Eine Verpflichtung Polens wird also abgelöst und von Deutschland beglichen, während für deutsche Opfer kein Geld da sein soll. Beim ersten Hinsehen eine völlig unverständliche Politik. Beim zweiten Hinsehen wird aber einiges klar. Kanzlerin Merkel ist als extrem polenfreundlich bekannt, weil sie dem Land ständig in vielfältiger Weise entgegenkommt. Ihr Bild als beliebteste ausländische Politikerin in Polen wird durch die ablehnende Haltung gegenüber deutschen Opfern nicht beschädigt. Man stelle sich vor, welche Aufregung in Polen entstünde, wenn durch eine Diskussion aufgedeckt würde, welche Menschenrechtsverletzungen Deutsche durch Polen erleiden mussten. Deshalb aber die Obhutspflicht gegenüber den eigenen Staatsbürgern zu verweigern, kann nicht ohne Kritik bleiben. Weil es auch um die Würde von Menschen geht, darf es auch an deutlichen Worten nicht fehlen.

Es fragt sich, wie jetzt die Spitzen der Landsmannschaften und des BdV reagieren.

9. Dezember 2014

Quelle:
Rudi Pawelka – Landesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien NRW

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