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Grußwort von Rudi Pawelka
anlässlich des Landestreffens der Ostpreußen am 20. Juli 2014

Rudi PawelkaAnrede!

Zwischen den Landesgruppen der Landsmannschaft Schlesien und der Landsmannschaft Ostpreußen bestehen sehr gute Beziehungen und so ist zur Tradition geworden, dass ich seit Jahren auf dem Landestreffen der Ostpreußen sprechen darf. Ich bin sehr gern bei Ihnen. Wenn ich hier ostpreußische Atmosphäre erleben kann, so öffnet sich der Blick für Ostpreußen, aber auch für den ganzen deutschen Osten und seine Bedeutung. Dabei wächst allerdings der Unmut darüber, dass hierüber kaum noch geredet wird, inklusive über das Schicksal der Vertriebenen.

Wolfgang Schäuble hatte vor 12 Jahren auf dem Tag der Heimat gesagt, dass die Vertreibung erst zum Gemeingut aller Deutschen werden konnte, nachdem eigene Verbrechen aufgearbeitet, das Versöhnungswerk fortgeschritten und keine Ansprüche mehr gestellt werden. Wir müssen aber feststellen, dass trotzdem die Wahrnehmung der Vertriebenenverbände auf ein Minimum beschränkt ist, was wiederum bei der Berichterstattung über die letzten Deutschlandtreffen deutlich wurde.

Damit einher geht das mangelnde Wissen über die Ostgebiete, die mehr und mehr dem Vergessen preisgegeben sind. Die Vertreibung wird, wenn sie überhaupt noch vorkommt, weichgespült oder sogar gerechtfertigt. Wie sehr verdrängt wird, zeigt schon der Blick in die Präambel des Grundgesetzes: In freier Selbstbestimmung haben die Deutschen die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet, und das Grundgesetz gilt für das gesamte deutsche Volk, heißt es hier. Es wird ausgeblendet, dass bei der Vereinigung von West- und Mitteldeutschland keineswegs ganz Deutschland betroffen war und noch ca. 800.000 in den Vertreibungsgebieten des ehemaligen Deutschen Reiches lebten, Menschen, die Deutsche sind wie wir. Selbst im Deutschen Bundestag wird bei der Darstellung der deutschen Geschichte auf einer Übersichtstafel unkorrekt verfahren. Mit Stolz hatte mir ein Mitarbeiter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor etwa drei Jahren erklärt, dass nach einer Intervention Bundestagspräsident Lammert die Ausstellung ergänzen ließ. Hieß es vorher lediglich, Deutschland sei 1945 in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden, so findet sich jetzt auch der Hinweis auf die deutschen Ostgebiete, die unter sowjetische bzw. polnische Verwaltung gestellt wurden. Allerdings fehlt noch immer die Aussage, dass mit den Verträgen von 1990 auf die deutschen Ostgebiete verzichtet wurde.

Wir erleben auch grobe Fälschungen in den Medien. In einer Kindersendung des Deutschlandradios erklärte man den Kindern die Vertreibung durch die Feststellung, die Deutschen seien erst mit dem Einmarsch der Wehrmacht in den Osten gekommen und mussten deshalb 1945 wieder nach Deutschland zurück, weil auch die anderen Völker nicht mehr mit ihnen zusammenleben wollten. Im SWR-Bildungsportal hieß es, dass das von Deutschen besetzte Breslau am 15. Februar 1945 von der Roten Armee eingekesselt wurde.

Als ich vor einigen Wochen zwei Unterrichtsstunden bei Abiturienten gestalten durfte, erfuhr ich, dass in dem Geschichtsbuch für Gymnasien nur zwei Sätze über die Vertreibung zu finden seien. Im Gespräch mit den jungen Leuten zeigte sich dann aber, dass sie offen sind für Informationen von uns und keineswegs eine gegen unser Anliegen gerichtete Haltung einnehmen. Es fehlen nur die Kenntnisse.

Wie gedankenlos selbst die Deutsche Post handelt, erwies sich bei der Herausgabe einer Briefmarke zu dem Weltkulturerbe „Fürst-Pückler-Park“ in Bad Muskau, dem nördlichsten Punkt Schlesiens an der Neiße. In dem begleitenden Text zu der Sonderbriefmarke heißt es, der Park sei zwischen 1815 und 1844 entlang der deutsch-polnischen Grenze an der Neiße errichtet worden. Der Fluss war bis 1945 nie Grenze zwischen beiden Ländern.

Seit Jahrzehnten mussten wir erleben, wie unser Vertreibungsschicksal ein Objekt der Aufrechnung mit den Verbrechen der NS-Zeit war. Bis heute finden sich aber auch Rechtfertigungen. Der bekannte Sozialdemokrat Peter Glotz zitierte in einer Rede zum Tag der Heimat 2001 den späteren US-Präsidenten George W. Bush, der während des Wahlkampfes die Vertreibung der Deutschen die größte kulturelle Ausrottung der Weltgeschichte nannte. Glotz erinnerte dabei an die sofortige Stellungnahme des US-State-Department, in der es heißt, dass sich die Haltung der USA zu den Regelungen von Potsdam nicht verändert habe. Damit wird deutlich: Die Amerikaner sehen in Potsdam eine rechtliche Grundlage für die Vertreibung. Diese Auffassung findet sich ebenfalls in der Konzeption der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ wieder. In den von Potsdam erfassten Gebieten wird deshalb für Vorgänge ab dem 2. August 1945 nicht mehr von Vertreibungen, sondern von Zwangsaussiedlungen gesprochen. Im Übrigen werden hunderttausende zivile Tote in polnischen, tschechischen, jugoslawischen und sowjetischen Zwangsarbeiterlagern, vor allem Frauen und Kinder, in der Konzeption unterschlagen. Die bisher für alle Bundesregierungen geltende Zahl von 2,2 Mio. Vertreibungstoten gilt nicht mehr. Es sollen nur noch 600.000 gewesen sein. Es war auch Peter Glotz, der den Direktor des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung an der Uni Bochum, Mihran Dabag, zitierte mit den Worten: „Dies ist, was Völkermörder fürchten müssen, dass man ihre Taten nicht vergisst, auch wenn es kein offizielles Erinnern gibt.“

Erinnern ist für uns nicht weniger wichtig als für andere Opfer. Treffen - wie das heutige - werfen nicht nur einen Blick auf das kulturelle Ostpreußen, sondern erinnern auch an hunderttausende unschuldige Opfer. Diese Erinnerung ist deshalb immer ein Blick nach vorn, weil sie Wiederholungen verhindern helfen, wie Erzbischof Zollitsch uns auf den Weg gab.

Ich wünsche Ihnen eine gelungene Veranstaltung und gute Gespräche während des Treffens.
 

Quellen:
Foto: Archivmaterial;
Text: Rudi Pawelka,
20. Juli 2014, Ort: Schloss Burg
*** Es gilt das gesprochene Wort! ***

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